Jan-Carl Kubik
Wirkungskommunikation
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Schachspieler und Wortspieler

Heute möchte ich mal eine steile These in den Raum werfen: Schachspieler sind häufig kauzige Gesellen mit einem recht eigenbrötlerischen Wesen. Und bei Wortspielern verhält es sich ähnlich – nur dass sie es schaffen, ihre Spleenigkeit gekonnt hinter schönen Worten zu verbergen. So weit, so steil.

Aber wie komme ich nur von dem Spiel der Könige auf das Spiel mit Worten? Ganz einfach: Wenn wir es lieben, Worte, Sätze und Zitate zu jonglieren, können wir von Schachspielern eine Menge lernen.

Es fängt damit an, dass gute Spieler nicht nur an den nächsten Zug denken, sondern auch den übernächsten, den überübernächsten, den überüberübernächsten und so weiter. Kurz: Jeder Zug ist eine Vorbereitung für das, was folgt.

Ähnlich sollte es sein, wenn wir Sätze formulieren. Auch hier ist jedes Wort eine Vorbereitung für die Worte, die folgen. Wenn wir schreiben, ist es kein Problem: Wir können Worte rückwirkend so verändern, dass sie dann vorwirkend wie ein Empfangskomitee sind, dass alle folgende Worte feierlich willkommen heißt.

Wenn wir reden, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus: Jedes Wort, das wir abschießen, können wir nicht wieder einfangen. Gleichzeitig haben wir wenig Zeit zu überlegen, welche Worte folgen können und sollen. So wird es viel schwerer, ein rhetorisches Fundament zu bauen, auf dem wir die folgenden Inhalte stabil platzieren können.

Im besten Fall sind wir so gut, dass wir mit einer tänzerischen Spontanität Ideen antizipieren und dazu passende Worte finden. In schlechtesten Fall setzen wir uns mit einem falsch gewählten Wort schnell ins rhetorische Schachmatt.

Um das zu vermeiden, können wir uns an Profischachspielern orientieren. Zu ihrem regelmäßigen Training gehört es, unterschiedlichste Schachpartien auswendig zu lernen. So haben sie den Kopf gefüllt mit Figurenstellungen, Situationen und Konstellationen, von denen sie wissen, wie sie sich entwickelt haben und wie sie sich weiter entwickeln werden.

Wenn ein Schachspieler nun bei einer eigenen Partie eine Situation vorfindet, die er so ähnlich in seinem Gedächtnis hat, kann er sein eigenes Spiel leichter vorausdenken und besser reagieren.

Und das können wir Sprachschöpfer auch: Wir können Textfragmente auswendig lernen, um sie zum passenden Zeitpunkt wieder hervorzuholen und aufzutischen. Viel Pointen und Wortspiele haben ein eigenes Schema, das wir je nach Situation anpassen und einsetzen können.

Ein Beispiel:
„Lasst mich liegen und macht ohne mich weiter. Was zählt, ist die Mission.“ Diese zwei Sätze funktionieren sehr gut in Kriegsfilmen – und wenn du in der Kneipe besoffen vom Stuhl fällst. Nur, dass du in der zweiten Situation die Lacher auf deiner Seite hast, weil fast jeder die Referenz kennt.

Um Worte, Sätze und Zitate auswendig zu lernen, müssen wir lernen, jede Facette der Sprache bewusst wahrzunehmen, zu merken und im Vorfeld zu überlegen, in welchem Kontext wir was einsetzen können. Natürlich klingt das zunächst sehr verkopft und theoretisch. Aber mit ein wenig Übung kommen die Worte und Wortspiele über die Zunge, ohne dass man es bewusst merkt. Es ist wie beim Tanzen: Irgendwann sitzen die Bewegungen, ohne dass man sie bewusst ausführen muss.

Außerdem macht das Sammeln unheimlich viel Spaß. Je mehr wir sammeln, desto mehr Auswahl haben wir, um zu reagieren. Und vor allem: Je mehr Auswahl wir haben, unsere Gedanken in pointierte Worte zu kleiden, desto weniger bemerkt unser Umfeld, dass wir eigentlich wie professionelle Schachspieler sind – kauzige Gesellen mit einem recht eigenbrötlerischen Wesen.

 

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