Jan-Carl Kubik
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Wenn Punk unser Rhetoriklehrer wäre, was könnte er uns beibringen?

Die 5 Lektionen des Punk

Seit Punks Ende der 70er-Jahre zum ersten Mal gesichtet wurden, haben sie sich in unserer Gesellschaft festgesetzt – grell, laut und ohne Rücksicht auf Verluste. Dabei sind sie mit ihrer konsequenten Antihaltung bis heute eine Herausforderung für alle, die der starren Disziplin, der Routine und dem Fleiß frönen.

Jetzt aber müssen die Punks unter euch ganz tapfer sein: Ihr seid ein konstruktiver Teil unserer Gesellschaft. Mit eurer Attitüde könnt ihr uns beibringen, unsere rednerischen Fähigkeiten voranzubringen – damit wir noch besser, schöner und erfolgreicher werden. Vielen Dank dafür!

Lektion 1: Scheiß drauf. Einfach machen!

Wir kennen es: Vor Menschen zu reden, kann sehr schwer sein. Selbstzweifel und Ängste brechen sich die Bahn und der innere Monolog ist so konstruktiv wie Bomber Harris in Dresden.

„Wie wirke ich auf die anderen?“
„Was passiert, wenn ich etwas falsch mache?“
„Werde ich dann sofort sterben oder wird es langsam und qualvoll sein?“

Scheiß drauf und fang einfach an! Mach dein Ding und rocke die Bühne. Egal, was die anderen denken und sagen. Auf dieser Weise sind schon viele Punkbands entstanden. Kein Talent. Keine Ahnung. Und davon viel. Egal. Es geht um das Machen!

Wenn ihr diese Haltung inhaliert habt, seid ihr auf dem richtigen Weg. Mit dieser Attitüde strahlt ihr Freude und Begeisterung aus. Und genau so werdet ihr euer Publikum für euch gewinnen.

Lektion 2: Fehler? Na und?

Egal, wie gut ihr in einer Sache seid, ihr werdet immer wieder Fehler machen. Denn nur wer nicht macht, macht keine Fehler. (Siehe Olaf Scholz im Wahlkampf) Das gilt auch für das Reden.

Die Frage ist nur, wie ihr mit eueren Fehlern umgeht. Klar: Ihr könnt euch auspeitschen, betrinken und vor Gram etliche Nächte durchmachen. Oder ihr feiert euren genialen Dilettantismus.

Am Ende sind eure Fehler, euer charmanter USP, der euch sympathisch macht. Merke: Es gibt keine Punkband, die sich durch technische Perfektion auszeichnet. Und gäbe sie es doch, wäre es keine Punkband.

Das bedeutet für dich: Du kannst den Faden verlieren, dich versprechen oder etliche Worte falsch aussprechen – mit der passenden Haltung ist alles ein Teil deiner Show!

Übrigens: Mit dieser Haltung wirst du die Angst vor Fehlern verlieren, wodurch du weniger Fehler machst. Das ist zwar kein Punk, aber trotzdem cool.

Lektion 3: Die Botschaft gehört voll in die Fresse

Beim Reden geht es im Grunde um eine einzige Sache: Ihr habt eine Botschaft. Und diese Botschaft soll bei deinen Zuhörern und Zuhörerinnen hängen bleiben.

Wie das funktioniert, macht uns der Punkrock vor: Es geht nicht um fein ziselierte Aussagen, die zurückhaltend formulieren, was du womöglich denken könntest. Es geht um starke Parolen, die ohne Umschweife zur Sache kommen.

„Wir wollen keine Bullenschweine!“
„Fuck the USA!“
„Legal-illegal-scheißegal!“

Wir mögen nicht die Inhalte teilen, aber wir wissen auf der Stelle, worum es dem Absender der Botschaft geht – auch noch Tage, Wochen und Jahre nachdem wir das Lied gehört haben.

Wenn ihr es schafft, eure Ideen und Inhalte so auf Punkt zu bringen, wie es viele Punkrocklieder machen, werdet ihr auf jeden Fall eine kraftvolle Rede halten, die eurer Zuhörerschaft noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Lektion 4: Viva el efecto. Mit Kreativität zur Wirkung

Beim öffentlichen Reden geht es um Wirkung. Und mit etwas Kreativität könnt ihr vom Anfang an große Wirkung erzielen.

Auch hier zeigt uns der Punk, wie geht. Das beste Beispiel sind die Namen diverser Bands: Ob Rabiat Penetrant, Mann kackt sich in die Hose, Hartwurstsuppe, Affenmesserkampf oder irgendeine andere Begriffssituation – die Aufmerksamkeit ist gewiss, bevor sie den ersten Ton auf dem Verstärker gepresst haben. Für alles andere gelten die Lektionen 1-3.

Genauso könnt ihr auch in euren Reden mit ausgefallenen Wortspielereien punkten.
Macht absonderliche Vergleiche, wie z. B.: „Der Beamte hatte eine Ausstrahlung wie eine Rinderkolchose im herbstlichen Sibirien.“

Brecht die Regeln der Grammatik, wie z. B.: „Der Samstag war schon super. Aber der Sonntag war noch superer!“

Gebt der Anarchie eine Chance und lasst die Sprache Pogo tanzen. Dann werdet ihr wunderbar wirken und die Aufmerksamkeit auf euch ziehen. Für alles andere gelten die Lektionen 1-3.

Lektion 5: Punk macht dich erfolgreich

Der Kapitalismus macht es vor: keine Regeln, keine Moral und ab dafür.

Das, was für die Wirtschaft gilt, gilt auch für den Punk. Mit Anarchie zum nächsten Level. Kein Wunder, dass so einige Punks Erfolge feiern, von denen manch ein Jungliberaler nur zu träumen wagt. Modedesignerin Vivian Westwood, Künstler Daniel Richter, der Künstler/Werber/Unternehmer Shepard Fairey und viele andere haben es vorgemacht: Wenn wir die Konventionen brechen und keine Grenzen kennen, gibt es wenig, was uns zurückhält, um durchzustarten.

Gerade die Freiheit im Kopf, die Scheißegal-Haltung gegenüber jeglichem Zweifel und der Mut, einfach loszulegen, zeugen von einigen der wichtigsten Tugenden eines guten Redners oder eines guten Unternehmers.

Fazit:

Liebe Punks. Ihr kommt da nicht raus. No Future war gestern. Jetzt seid ihr die Zukunft. Ihr wusstet es von Anfang an: Mit dem kleinbürgerlichen Korsett einer guten alten BRD werden wir nicht weiterkommen.

Heute müssen wir kreativ und mutig sein. Mit Freude zur Sache kommen. Ideen haben. Ideen leben. Ausprobieren und machen. Scheiß auf Fehler. Scheiß auf Zweifel. Scheiß auf Konventionen. Es lebe der Punk.

Wenn wir unseren Weg konsequent gehen, werden wir auf jeden Fall unsere Fans finden, unsere Erfolge feiern und dabei eine Menge Spaß haben. Das gilt nicht nur für das Reden, sondern für alles!

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